Grabungskampagne 2023 (14.08.-08.09.2023)
Die Arbeiten der Universität Salzburg in Ägina Kolonna fanden wieder im Rahmen einer Reinigungs-, Aufarbeitungs- und Vorbereitungskampagne im Frühjahr und einer universitären Lehrgrabung im Sommer statt. Die Forschungen konzentrierten sich weiterhin auf den Bereich der nordöstlichen bronzezeitlichen Befestigung (1.) und den angrenzenden Strukturen (2.) sowie auf den Bereich der kleinen byzantinischen Kirche im Osten (3.).
1. Die bronzezeitliche Befestigung im Nordosten
1.1. Die Grabung in Schnitt NO1
Die 2021 begonnenen Untersuchungen der Anlage, Datierung und Bauabfolge der nördlichen Befestigungsmauern M1045 und M1046 sowie des daran anschließenden eckigen Nordostturmes (M1184, M1185, M1186) wurden 2023 im Schnitt NO1 abgeschlossen.
In der schmalen, ostwestlich ausgerichteten Untersuchungsfläche zwischen der Befestigungsmauer und der Turmfüllung konnten nach der Reinigung zwei Bereiche, ein östlicher und ein westlicher unterschieden werden.
Im östlichen Teil kamen verschiedene horizontal gelagerte Schichten zutage, die neben mittelhelladischer auch eine große Anzahl byzantinischer Keramik- und Ziegelfragmente beinhaltete. Das reichhaltige Fundmaterial umfasst außerdem viele Tierknochen und Mollusken, Eisenschlacke, Glas und kleine Objekte aus Eisen und Blei. In der obersten Schicht fanden sich zudem einige Steinsplitter, die als antiker Bauabfall interpretiert werden können.
Bei dem Material handelt es sich um die Verfüllung einer Grube, die an den Rändern mithilfe von Steinen verfestigt wurde und bei ihrer Anlage in byzantinischer Zeit die bronzezeitlichen Schichten im Bereich der Befestigung massiv störte. Die Grabungen wurden aufgrund der Tiefe und von Sicherheitsbedenken in diesem Bereich eingestellt.
Der westliche Teil des Schnittes enthält homogene Lehmschichten mit wenigen Steinen, vielen teilweise verbrannten Knochen und Mollusken und kleinen bis mittelgroßen Keramikfragmenten aus neolithischer bis mittelhelladischer Zeit. Die Zusammensetzung der Straten deutet darauf hin, dass sie intentionell als Planierschichten auf dem natürlichen Boden aufgebracht wurden. Eine dieser Planierschichten bereitete den Baugrund für die Befestigungsmauer M1045. Das darin gefundenen keramische Material liefert uns einen chronologischen Hinweis für die Errichtung der Mauer M1045 in mittelhelladischer Zeit (MH II/III).
1.2. Die Grabung in Schnitt NO5
Zur Untersuchung und Klärung der Nordost-Ecke der bronzezeitlichen Vorstadtbefestigung wurde 2023 ein neuer Grabungsschnitt außerhalb der spätrömisch/byzantinischen Befestigungsmauer M1031 angelegt. Das Untersuchungsareal lag unmittelbar nördlich der Mauer M1319, die die östliche Verlängerung der Befestigungsmauer M1045/M1046 (s. oben Schnitt NO1 und Bericht 2022) bildet. Hier wurden zwei sehr große Steine (ST1320) in der Forschung als mögliche Reste der Nordost-Ecke der Befestigung angesprochen. Durch ihre Größe scheinen sie für eine starke Außenecke der Befestigung oder für einen Turm prädestiniert, doch konnten auch bei den Neugrabungen keine Verbindungen nach Süden resp. zu den gesicherten Befestigungsmauern festgestellt werden. Beide Steine liegen auf gewachsenem Boden und der östliche scheint aus seiner ursprünglichen Position verschoben/gekippt.
Süd-westlich davon kam nach Abnahme der lockeren Sedimentablagerungen eine Mauer (M1087) aus grob behauenen Steinen zum Vorschein, die in Ost-West-Richtung parallel zur Befestigungsmauer M1319 verläuft. Im Bereich der Unterkante der Mauer M1087 wurden wenige, kaum diagnostische bronzezeitliche Keramikfragmente entdeckt, die vermutlich aus der Verfüllung des sehr dünnen Fundamentgrabens stammen. Die Mauer M1087 gehört wohl zu einer Reihe von parallele Mauerlinien, die ähnlich den Befestigungsmauern westlich des Turms M1184-1186, der Verstärkung der Anlage dienen.
Das genaue Aussehen der Nordost-Ecke der bronzezeitlichen Befestigung konnte nicht geklärt werden.
2. Areal südlich der bronzezeitlichen Befestigung: NO3 und NO6
2.1. Die Grabung in Schnitt NO3
An der inneren (westlichen) Seite der spätrömischen/byzantinischen Befesti-gungsmauer M1031 wurde die Grabung im nach Norden erweiterten Schnitt NO3 fortgesetzt. Ziel war es, die in Ost-West-Richtung verlaufende, bronzezeitliche Mauer M1061, ihren baulichen Kontext und ihre Datierung zu untersuchen.
Die Abtragung der eingeschwemmten Lehmschichten und Lehmziegel-fragmente förderte die Reste einer Baustruktur aus zwei Lagen grob behauener Steine zutage (ST1078). Die Lehmschichten über den Steinen stammen mit großer Wahr-scheinlichkeit vom Lehmziegelaufbau der Mauer ST1078 selbst oder der südlich anschließenden Mauer M1061. Eine leicht versetzte untere Steinreihe im Nordwesten deutet auf eine frühere Bauphase und damit auf eine 2-Phasigkeit der 1,60 m breiten Mauer hin. Die Mauerfluchtlinie der nördlichen Außenseite liegt parallel zur kleineren Mauer M1061, an der ST1078 im Süden angesetzt ist. Die Zwischenräume zwischen den beiden Mauern sind mit Steinen aufgefüllt. Im Norden fand sich die schmale Fundamentgrube von ST1078, die mit bis zu faustgroßen, grob abgeschlagenen Steinen verfüllt war.
Die Funktion und der genaue Baukontext der Mauer ST1078 konnten noch nicht endgültig geklärt werden. Die Breite und die Bauart legen eine Deutung als Teil der bronzezeitlichen Befestigung nahe. Doch ist aufgrund der tiefen Fundamentierung späterer Bauten in diesem Bereich der Zusammenhang zur knapp nördlich davon befindlichen Befestigungsmauer M1046 nicht mehr feststellbar.
2.2. Die Grabung in Schnitt NO6
Der neu angelegte kleine Schnitt NO6 im Inneren des Pi-förmigen Fundaments M1211-M1212-M1213 soll den Verlauf der Mauern M1061 und ST1078 in NO3 (s. oben) Richtung Westen klären.
Unter den obersten Schwemmschichten kamen in der südöstlichen Ecke Hinweise auf eine byzantinische Grubenverfüllung zum Vorschein. Daran westlich anschließend fanden sich zwischen Steinen und Lehmziegelfragmenten eine große Vielfalt an überwiegend mittel- und späthelladischen Funden. Bemerkenswert ist das Auftreten einiger vollständiger oder fast vollständig erhaltener Kochtöpfe. Die Grabung wurde nicht abgeschlossen und eine Fortsetzung der Untersuchungen ist für 2024 geplant.
3. Areal der byzantinischen Kirche - der Raum im Norden
3.1. Die Grabung in Schnitt NO4
Die Ausgrabungen im Schnitt NO4 im Raum nördlich der kleinen Kirche wurden 2023 fortgesetzt. Zu Beginn konzentrierten sich die Arbeiten auf die im Vorjahr unterbrochene Untersuchung der Gefäßdeponierung unter der nördlichen Türschwelle der Kirche.
Eingebettet zwischen Kalksteinplatten und Porossteinen fand sich ein fast vollständiger, kleiner bronzezeitlicher Dreifußtopf mit teils gebrochenen Füßen und Brandspuren am unteren Gefäßbauch. Dieser lag auf den Fragmenten eines späthelladischen, nur 11,7 cm hohen Amphoriskos, dessen Rand nicht erhalten ist. Das streifig bemalte feine Gefäß ist in der Schulterzone mit einem Oktopusdekor versehen. Die Deponierung der Gefäße fand vor dem Bau bzw. Umbau der Kirchenschwelle statt, kann aber dennoch derzeit noch nicht genauer zeitlich eingeordnet werden.
Nördlich davon wurden die Ausgrabungen entlang der Befestigungsmauer M1031 fortgesetzt. Unter einer modernen Aufschüttung kamen die Reste von insgesamt 7 Gräbern zum Vorschein. Sechs davon sind in Ost-West-Richtung ausgerichtet (Gräber 2023-01 bis -03, -05 bis -07), nur das Grab 2023-04 liegt leicht schräg in NW-SO-Richtung.
Es lassen sich zwei Grabtypen unterscheiden:
1. Ziegelkistengräber mit flacher Abdeckung (Gräber 2023-04 bis -07)
2. Ziegelgräber mit giebelförmiger Abdeckung (Gräber 2023-01 bis -03)
Die Gräber des Typs 1 befinden sich in der NW-Ecke des Raumes. Drei davon (Gräber 2023-05 bis -07) sind dicht parallel aneinandergereiht und reichen mit den westlichen Stirnseiten an die Unterkante der Befestigungsmauer M1031 heran. Diese drei kleinen Gräber (ca. 0,50 x 0,25 m) bilden baulich einen Komplex, der an den Außenseiten mit großen Ziegeln gefasst wird. Die Abtrennung der einzelnen Bestattungen erfolgte durch kleinere, vertikale Ziegeln.
Das vierte flachgedeckte Grab (Grab 2023-04) liegt mit leicht schräger Ausrichtung etwas tiefer. Bei den Untersuchungen 2023 konnte die Bestattung eines Neugeborenen freigelegt werden. Der Körper lag in gehockter Rückenlage auf einem leicht gekrümmten, zerbrochenen Ziegel. Der stark beschädigte Schädel lag im Nordwesten. Die Bodenplatte des Grabes reicht teilweise unter das nördlich anschließende Grab 2023-05 und ist demzufolge vor den anderen drei Säuglingsbestattungen angelegt worden.
Die Gräber des Typs 2 sind größer und liegen etwas tiefer in einer Lehmschicht, die bis unter das Fundament der Befestigungsmauer M1031 reicht. 2023 konnte nur ein Grab mit giebelförmigem Dach genauer untersucht werden (Grab 2023-01). Das ca. 1,40 x 0,50 m große Ziegelgrab im Süden enthielt die Bestattung eines etwa 6-jährigen Kindes in Rückenlage. Der Schädel lag im Westen und war nach rechts und nach unten geneigt. Die Hände waren über dem Becken gekreuzt. Der Körper wurde auf zwei großen Bodenziegeln bestattet. Die Seitenwände und die Abdeckung Grabes bestanden aus mehreren leicht gekrümmten, großen Ziegeln.
Bei beiden bisher freigelegten Bestattungen wurden keine Grabbeigaben gefunden. Die Grabtypen weisen nach bisherigen Forschungsstand auf eine Datierung in früh- bis mittelbyzantinischer Zeit hin (6./8. bis 10. Jh.). Die Untersuchung der Gräber wird 2024 fortgesetzt werden.
4. Mauersanierung und Konservierungsmaßnahmen
Das Sanierungsprogramm 2023 umfasste neben der jährlichen Dokumentation des Erhaltungszustandes der Baustrukturen in Kolonna (Monitoring) die Fortsetzung der Mauersanierung in den östlichen Vorstädten, sowohl der gefährdeten prähistorischen Baustrukturen als auch der teils stark unterspülten hellenistischen bis byzantinischen Quaderbauwerke im Osten.
Die Restaurierungsarbeiten im Bereich der bronzezeitlichen Inneren Vorstadt konnten so weit abgeschlossen werden, dass in der Folge nun mit der dringend notwendigen teilweisen Auffüllung der Räume und den Erdanschüttungen zum Schutz der Mauerunterkanten begonnen werden kann.
Grabungsleitung: A. Sokolicek (Universität Salzburg)
Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen: L. Berger (Universität Salzburg, stv. Grabungsleiterin),
R. Smetana (Universität Salzburg, Fundaufnahme), A. Tanner (Universität Zürich, Baudenkmalpflege/Sanierung)
Studierende: T. Bruckmüller, K. Dorfner, B. Huber, I. Klotz, M. Kostadinova, R. Plietl,
R. Schilling, E. Tolksdorff (Universitäten Salzburg, Wien, Regensburg, Leipzig und Berlin)
Temporäre Mitarbeiterinnen: L. Marmara, E. Plevritaki (Universität Thessaloniki, Archäobotanik);
G. Grabner (Universität Wien); T. Berger (Salzburg)
Kooperationen: A. Karathanou (Universität Thessaloniki, Archäobotanik)
Finanzierung: PLUS – Paris Lodron Universität Salzburg
Lydia Berger - Alexander Sokolicek