Grabungskampagne 2022 (08.08.-02.09.2022)

 

Die Feldforschungen in Aegina Kolonna konnten 2022 nach den pandemiebedingten Einschränkungen wieder in zwei Kampagnen stattfinden: eine Reinigungs- und Depotkampagne im März (Reinigungen des gesamten Ausgrabungs- und Besuchergeländes, Depotorganisation, Vorbereitungen für die Grabungen im Sommer) und eine Grabungs- und Sanierungskampagne im August und September. Wie in den letzten Jahren wurde die Grabung als archäologisches Praktikum angeboten, an dem Studierende der Universitäten Salzburg, Wien, Innsbruck, Berlin, Leipzig und Thessaloniki teilnahmen.

Das Grabungsgelände im Nordosten mit dem Apollontempel und der einzigen aufrecht stehenden Säule im Hintergrund (von Osten, 2022)
Das Grabungsgelände im Nordosten mit dem Apollontempel und der einzigen aufrecht stehenden Säule im Hintergrund (von Osten, 2022)

Die Arbeiten konzentrierten sich wiederum auf den Nordosten von Kolonna, der die sogenannten prähistorischen Vorstadtareale wie auch die Befestigungen der spätbronzezeitlichen und spätrömischen/byzantinischen Siedlung in diesem Bereich umfasst.

 

 

1.   Die Grabungen im Areal K10 in der Äußeren Vorstadt

Die Ausgrabungen wurden im westlichen Teil von K10 zwischen der Mauer M1176 bzw. dem Eingang zu K07 im Westen und der Mauer ST1345/M1346 im Osten fortgesetzt. Der Schwerpunkt lag auf der Untersuchung der frühen Nutzungsphasen der Äußeren Vorstadt.

Unter einem im Vorjahr untersuchten Lehmboden im Norden (bei Niveau 11.21/26 m ü. M.) kam eine 4 bis 8 cm dicke lehmige Ausgleichsschicht zutage, die ein dem Lehmboden entsprechendes Keramikspektrum (aus Kolonna IX / Keramik-Phase I, MH II; Foto oben rechts), Holzkohle und Kiesel enthielt.

Schuttschicht im Westteil von K10 von Osten
Schuttschicht im Westteil von K10 von Osten
Mahlstein aus der Schuttschicht in K10
Mahlstein aus der Schuttschicht in K10

Darunter bedeckte eine Schuttschicht, die bereits 2021 im Süden erreicht worden ist, den gesamten Westteil von K10. Sie bestand aus einer großen Menge kleiner bis faustgroßer Steine, teils sehr große MH II - zeitliche Keramikfragmente, Tier-knochen und Mollusken sowie Holzkohle. Die Schuttschicht neigt sich nach Norden hin, wo auch die Anzahl der Funde im zunehmend lehmigeren Sediment abnahm. Unter den charakteristischen Fragmenten matt bemalter, unbemalter und grau-minyscher Gefäße fanden sich einige ältere (LN, FH II/III) sowie vereinzelt polychrom bemalte Stücke importierter/nicht lokal produzierter Gefäße (Kreta, Kykladen). Aus dem häuslichen Arbeitsbereich stammen verschiedene Ton- und Steingeräte (z.B. Tonspule, Mahlstein).

Die darunter folgende, dichtere, lehmigere Schicht konnte aufgrund starker Regenfälle nicht vollständig ausgegraben werden. Der fundreichere und auch kieseligere Teil liegt nun im Norden. Vor allem im Süden fanden sich einige größere (20-30cm) Steine im losen Verbund mit Lehmziegelfragmenten. Geplante Untersuchungen sollen 2023 hier fortsetzen.

 

 

2. Die Grabungen im Nordosten: die Schnitte NO1, NO3 und NO4

 

Steinplan der Untersuchungsfläche im Nordosten mit den grün markierten Grabungsschnitten NO1, NO3 und NO4. In Rot sind die bronzezeitliche Befestigung (Linie) und die spätrömisch/byzantinische Befestigungsmauer (transparente Fläche) gekennzeichnet.
Steinplan der Untersuchungsfläche im Nordosten mit den grün markierten Grabungsschnitten NO1, NO3 und NO4. In Rot sind die bronzezeitliche Befestigung (Linie) und die spätrömisch/byzantinische Befestigungsmauer (transparente Fläche) gekennzeichnet.

 

2.1. Die Grabung in NO1

Im ostwestlich ausgerichteten Schnitt NO1 wurden die Grabungen des Vorjahres fortgesetzt. Die Untersuchungen konzentrierten sich in erster Linie auf den Bereich des späthelladischen Nordostturmes (M1184-86) und der Befestigungsmauer (M1045-46) im Westteil. Im Ostteil von NO1 fand sich das Auffüllungsmaterial einer älteren Ausgrabung, das die Stratigraphie bis auf ein Niveau von 10.36 m ü. M. störte. Hier wurden die Grabungen aus Sicherheitsgründen eingestellt.

Das Ziel der Detailuntersuchungen in NO1 war eine chronologische Einordnung der verschiedenen Bauabschnitte der bronzezeitlichen Befestigung. Die Aufnahme bautechnischer Besonderheiten dienen als Vorarbeiten zu einer möglichen Rekonstruktion.

Bronzezeitlicher Nordostturm mit Mauer M1185 von Norden (2013)
Bronzezeitlicher Nordostturm mit Mauer M1185 von Norden (2013)

Der Nordostturm besteht aus drei Mauern (M1184, M1185, M1186) mit sehr großen, grob behauenen Blöcken (ca. 1 x 1 m), die eine Füllung aus großen Steinen und Lehm umgeben. Von der östlichen Mauer (M1186) fehlt – vermutlich in Folge früherer Grabungen – der südliche Teil. Die Südseite des Turmes setzt ohne Außenmauer direkt an die  Befestigungsmauer M1045 an, bindet jedoch nicht in sie ein.

In der bisherigen Forschung wurde der Turm als Teil der zweiten Ausbauphase der spätbronzezeitlichen Befestigung interpretiert, welche mit der Errichtung einer Erweiterung der älteren Befestigungsmauern verbunden ist (Sporn – Berger – Tanner 2017).

Bei den Grabungen 2022 konnten Schichten unterhalb der Steinfüllung des Turmes (ST1188) untersucht werden, die zur Aufschüttung des Turmes und der Befestigungsmauer gehören (s. N-Profil unten links). Die Schichten bestanden aus horizontal abgelagerten Sedimenten aus sandigem bis schluffigem Lehm mit kleineren Steinen, großen Mengen an Keramik (MH III und SH I), Tierknochen und vielen, überwiegend vollständig erhaltenen Mollusken.

Interessant ist eine Reihe von mindestens drei fußballgroßen Steinen, die am Westende der Befestigungsmauer M1046 ansetzt und schräg dazu in Südost/Nordwest-Richtung verläuft (ST1063, s. Foto oben rechts). Ob diese Steine eine Stützfunktion für die Aufschüttung erfüllten oder zum Bau des Turms zuzuordnen sind, lässt sich nicht feststellen.

Die Grabung musste vor Erreichen der Unterkante der Befestigungsmauer M1045 aufgrund des Starkregens eingestellt werden.

Bronzezeitliche Befestigung mit den Mauern M1046 und M1045 von Norden
Bronzezeitliche Befestigung mit den Mauern M1046 und M1045 von Norden

Der 2021/22 neu freigelegte Teil der bronzezeitlichen Befestigungsmauer weist zwischen dem östlichen (M1046) und dem westlichen Teil (M1045) eine Baunaht auf (s. roter Pfeil am Foto oben). Die beiden Mauern unterscheiden sich in vielen Details wie Anordnung, Bearbeitung und Größe der Steine: Die östliche Mauer M1046 ist sorgfältig konstruiert, wobei große Steine verwendet wurden, deren Fugen mit kleinen Zwickelsteinen aufgefüllt worden sind. Die westliche Mauer M1045 besteht aus drei Abschnitten verschiedener horizontaler Steinreihen (oberer Teil: zwei erhaltene Lagen aus runden, unbearbeiteten Steinen; mittlerer Teil: zwei Reihen großer, grob behauener, annähernd rechteckiger Blöcke; unterer Teil: grob behauene Steine verschiedener Größe, dichter, jedoch nicht lagig verlegt). Zwischen den Abschnitten befindet sich jeweils eine dicke Schicht lehmiger Sedimente (ca. 5-10 cm). Trotz der unterschiedlichen Abschnitte scheint Mauer M1045 ebenso in einem Zug gebaut worden zu sein, da sich die Lehmablagerungen zwischen den Steinreihen nicht als mehrphasige Bauabfolge erklären lassen. 

Die beiden Mauern M1045 und M1046 stammen aus unterschiedlichen Phasen der bronzezeitlichen Befestigung. M1045 ist im Bereich der Baunaht leicht beschädigt und repariert, wobei sich dieser reparierte Teil an die Mauer M1046 lehnt. Daraus lässt sich schließen, dass die Mauer M1045 sowohl vor dem Turm als auch vor dem östlichen Teil der Befestigungsanlage (M1046) errichtet worden sein muss. Offensichtlich kam es zu einer starken strukturellen Veränderung, bei der eine neue Befestigungsmauer (M1046) zusammen mit einem Turm gebaut wurde und möglicherweise die spätbronzezeitliche äußere Vorstadt nochmals (nach Osten) vergrößert worden ist.

 

2.2. Die Grabung in NO3

Schnitt NO3: Lehmziegelpackung auf/von Mauer M1061
Schnitt NO3: Lehmziegelpackung auf/von Mauer M1061

An der inneren (westlichen) Seite der spätrömisch-byzantinischen Befestigungs-mauer M1031, südwestlich des Pfeilers M1057 und östlich von M1212 wurde Schnitt NO3 in Ost-West Richtung ange-legt. Ziel der Untersuchung war es, die späte Befestigungsmauer M1031, deren Bau und Datierung zu untersuchen. Da die Befestigung jedoch unmittelbar über den Resten eines spätbronzezeitlichen Hauses liegt, wurden keine eindeutigen Hinweise auf eine chronologische Einordnung gefunden.

Unter einer Schicht aus umgelagerten Material mit Gefäßkeramik der Phase SH IIA fand sich eine 30-40 cm dicke Packung aus verstürzten, vorwiegend zerflossenen Lehmziegeln, die auf und um einer ost-westlich verlaufenden Mauer (M1061) lag. Der Lehmziegelversturz enthielt einige kleine Kieselsteine (darunter auffällig viele Radiolarite) und sehr kleine Fragmente von endneolithischer, FH- und MH-zeitlicher Keramik (s. Foto unten links), die an das Fundmaterial aus der sogenannten Innen-stadt im Westen erinnert. Demzufolge dürfte das Baumaterial für die Lehmziegel wohl aus diesem Teil der Siedlung gewon-nen worden sein.

Die Lehmziegel bildeten den Aufbau für den Steinsockel M1061. Die zweireihige, etwa 0,50 m breite Steinmauer stammt von einem Gebäude innerhalb der Siedlung. Die Mauer setzt sich nach Osten hin unter dem Fundament der spätrömischen/byzantinischen Befestigung (M1031) fort. Im östlichen Teil der Mauer befindet sich zwischen den Steinen eine 10-20 cm große, ovale Auslassung, die von einer weiteren Steinlage umgeben und gestützt wird. Diese Auslassung könnte als Pfostenloch für eine vertikale Holzkonstruktion gedient haben, die möglicherweise erst nachträglich eingefügt wurde. Im Westen stört der Fundamentgraben der U-förmigen Struktur (sog. „Altar“ oder „Turm“; s. Pollhammer 2003) die Mauer M1061. Die Unterkante der Mauer konnte 2022 noch nicht erreicht werden.

 

2.3. Die Grabung in NO4

Außerhalb (östlich) der spätrömischen/byzantinischen Befestigungsmauer M1031 wurde der Schnitt NO4 im Raum nördlich der sog. Kirche angelegt, um die Bauweise, Funktion und Datierung der späten Mauern im Osten von Kolonna zu untersuchen.

Gefäß unterhalb der Türschwelle der sog. Kirche
Gefäß unterhalb der Türschwelle der sog. Kirche

Das Areal war in den oberen Schichten vollständig mit dem Aushub einer älteren Ausgrabung verfüllt. Im Süden entlang der Mauer M1040 konnten ungestörte Schichten erreicht werden. Hier fand sich unterhalb der nördlichen Türschwelle der sog. Kirche ein kleiner, einhenkeliger Krug, der von zwei Steinen und Bruchsteinplatten (ST1075) umgeben und geschützt wird und eventuell als „Bauopfer“ angesprochen werden kann. Weitere Untersuchungen, die einer Interpretation vorausgehen müssen, sind für die kommende Saison 2023 geplant.

Im Zuge der Grabungen in NO4 wurde die Nordmauer M1040 der sog. Kirche freigelegt. Die Mauer besteht aus zwei Steinlagen. Im östlichen Teil, zwischen der Lage 1 und 2, könnte eine horizontale Linie aus weißen Kalkputz auf Reste eines Fußbodens hindeuten.

Unter zwei großen Kalksteinblöcken, die als Schwelle für die südlich angrenzende sog. Kirche dienten, befinden sich zwei Ausgleichsschichten aus Ziegeln über einer Lage kleinerer Steinplatten und einer lehmigen Schicht. Der oben erwähnte kleine Krug liegt darunter. Die Schwellenkonstruktion weist auf eine spätere Umgestaltung und Erhöhung des Eingangs hin. Die Fortsetzung der Ausgrabungen in diesem Bereich im nächsten Jahr wird dazu beitragen, die Bauphasen des Gebäudes zu datieren und zu verstehen.

 

 

3. Die Mauersanierung in den östlichen Vorstädten

 

2022 konnten die Sanierungsmaßnahmen an den Mauern und Baustrukturen nach einer pandemiebedingten Pause in der Inneren Vorstadt (s. "περίμετρος 2" am Plan unten) fortgesetzt werden.

Mauersanierungsplan der östlichen Vorstädte (A. Tanner)
Mauersanierungsplan der östlichen Vorstädte (A. Tanner)

Die Mauern in diesem Bereich waren im Zuge von Sicherungsarbeiten erstmals in den 1980er Jahren mit Zementmörtel verfugt worden. Dieser ist inzwischen teilweise ausgebrochen und musste dringend ersetzt werden. Die Schließung der ausgewaschenen Fugen erfolgte wiederum mit der erprobten Kalkmörtelmischung. Die stark unterspülten Fundamentbereiche und absturzgefährdeter Bauteile wurden gestützt, untermauert und verputzt. Kürzlich herausgestürzte Steine konnten mithilfe der langjährigen Fotodokumentation identifiziert und wieder an der ursprünglichen Stelle in der originalen Lage zurückgesetzt werden.

Fotodokumentation des Erhaltungszustandes und der Sanierungsarbeiten der Mauer M1529 (A. Tanner)
Fotodokumentation des Erhaltungszustandes und der Sanierungsarbeiten der Mauer M1529 (A. Tanner)

Die begleitende systematische Dokumentation (Fotos, Zeichnungen, Beschreibungen) wurde weitergeführt.

 

 

4. Die Bauaufnahme im Osten

 

 

Graphische Dokumentation der Ostansicht der Mauer M1033 im nördlichen Teil (2022)
Graphische Dokumentation der Ostansicht der Mauer M1033 im nördlichen Teil (2022)

2022 wurde die Bauaufnahme der erhaltenen Architektur im Osten fortgesetzt. Während der über 130-jährigen Ausgrabungs-tätigkeit in Kolonna wurden zahlreiche Baureste unter-schiedlicher Epochen freigelegt, die bislang noch nicht im Detail dokumentiert worden sind.

Im Zuge der Bauaufnahme wird die Architektur photographiert, gezeichnet (Grundriss und Ansichten) und systematisch beschrieben. In diesem Jahr konzentrierten sich die Arbeiten auf die spätrömischen/byzantinischen Befestigungsmauern M1031 und M1033 im Osten. Zudem wurden verschiedene Baustrukturen in den östlichen Vorstädten photographisch und photogrammetrisch (mittels SfM) aufgenommen, um ihren aktuellen Erhaltungszustand zu dokumentieren.

Fotodokumentation der Mauer M1031 im nördlichen Teil, von Osten (2022)
Fotodokumentation der Mauer M1031 im nördlichen Teil, von Osten (2022)

 

Literatur:

 

Pollhammer 2003

E. Pollhammer, Überlegungen zu den hellenistischen Festungsmauern auf der Akropolis von Ägina, in: B. Asamer – W. Wohlmayr (Hrsg.), Akten des 9. Österreichischen Archäologentages am Institut für Klassische Archäologie der Paris Lodron-Universität Salzburg, 6.-8. Dezember 2001 (Wien 2003) 164–169

 

Sporn – Berger – Tanner 2017

L. Berger – K. Sporn – A. Tanner, Mapping Aegina Kolonna, in: F. Lang – W. Wohlmayr (Hrsg.), 50 Jahre Archäologie an der Paris Lodron-Universität Salzburg, ArchaeoPLUS 9 (Salzburg 2017) 81–98

 

Grabungsleitung: A. Sokolicek (Universität Salzburg)

Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen: L. Berger (Universität Salzburg, stv. Grabungsleiterin),

     R. Smetana (Universität Salzburg, Fundaufnahme), A. Tanner (Universität Zürich, Architektin)

Studierende: T. Bruckmüller, G. Grabner, B. Huber, F. Kleyhons, I. Klotz, S. Mörzinger, R. Plietl, R. Schilling, T. Sobihard, C. Stiborek, E. Tolksdorff (Universitäten Salzburg, Wien, Innsbruck, Leipzig und Berlin)

Temporäre Mitarbeiterinnen: P. Gamvra, S. Vogiatzi (Universität Thessaloniki, Archäobotanik); K. Lunzner (Universität Salzburg, Photographie)

Praktikant: T. Berger (Salzburg)

Kooperationen: A. Karathanou (Universität Thessaloniki, Archäobotanik)

 

Finanzierung: Paris Lodron Universität Salzburg

 

Lydia Berger Alexander Sokolicek

 


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