Grabungskampagne 2021 (02.08.-31.08.2021)
Die Grabungskampagne in Aegina Kolonna fand vom 2. bis zum 31. August 2021 statt. Wie im Vorjahr konnte auch 2021 aufgrund der Covid19 Pandemie und der daraus resultierenden Maßnahmen keine Frühjahrskampagne stattfinden und daher nur im Sommer gearbeitet werden. Die Grabung wurde als archäologisches Praktikum angeboten, an dem Studierende der Universitäten Salzburg, Wien, Berlin, Leiden und Thessaloniki teilnahmen. Lediglich die jährlichen Konservierungsarbeiten am erhaltenen und freigelegten Baubestand konnten 2021 nicht durchgeführt werden.
Im Mittelpunkt des neuen Forschungsprojektes „Transformation of City and Sanctuary in Mycenaean and Byzantine Times“ stand der Nordosten von Kolonna. Die Untersuchungen konzentrierten sich auf die Befestigungen der beiden Perioden und die daran angrenzenden Bauten (s. Abb. Areale A2 und A3). Zudem wurden 2021 die Forschungen in Areal K10, die mit den Grabungen des Projektes „Early Mycenaean Aegina“ 2015 begonnen worden sind, fortgesetzt (s. Abb. Areal A1). Neben den abschließenden Materialstudien sollten neuerliche Grabungen die frühe Nutzungszeit der Äußeren Vorstadt im Mittelhelladikum näher untersuchen.
1. Das Areal K10 in der Äußeren Vorstadt im Osten
1.1. Die Grabungen in K10
Mittelhelladische (MH) Kontexte unter dem späthelladischen Fußboden in K10 ließen bereits 2019 auf eine sehr frühe Nutzung und Bebauung des Areals schließen. Dieser Frage gingen die Grabungen in K10 nach. Sie konzentrierten sich auf den Bereich westlich der Mauer ST1345/ M1346. Hier kam unter einer zentralen Feuerstelle mit vielen verbrannten Tierknochen und MH III-zeitlichen Keramikfragmenten sowie einer bis zu 8cm dicken Asche-schicht im Norden ein lehmiges Sediment mit viel Holzkohle, einigen Lehmziegelstücken, ein Mahlstein, große Tierknochen, eine auffällig große Anzahl von zerbrochenen Purpurschnecken und von oftmals horizontal gelagerten Gefäßfrag-menten zum Vorschein. Die keramischen Fragmente stammen überwiegend von Vorrats- und Kochgefäßen der keramischen Phase I (Kolonna IX, MH II). Diese Zerstörungsschicht bedeckte eine etwa 3cm hohe Lage aus dichtem Sand. Unter der Sandschicht kam ein gestampfter Lehmfußboden zu Tage, der jedoch keiner Baustruktur mit Sicherheit zugewiesen werden kann.
Im Südwesten von K10 zeigte sich ein gänzlich anderes Bild. Dort wurde unter einer etwa 30cm dicken, fundreichen, lehmigen Schicht eine Lage lose verstreuter etwa faustgroßer Steine freigelegt, die vermischt mit überwiegend grober, insignifikanter Keramik und Tierknochen sich vor allem im südlichen Bereich konzentrierte. Hier wurde die Grabung 2021 eingestellt.
1.2. Schachtgräberzeitliches Kindergrab in ST1345/M1346
Im Nordosten von K10 kam bereits 2018 unter einem Lehmfußboden in Verlängerung einer Steinstruktur (ST345) eine Mauer (M1346) zum Vorschein, die in ihrem Westteil offensichtlich nachträglich durch den Einbau zweier großer Steine verändert wurde (s. Abb. no. 1 und no. 2). Die südlichere Steinplatte war eingebettet in Mergel und bedeckte einen etwa 30cm hohen rotbraunen Lehmblock. Diese Installation entpuppte sich bei diesjährigen Detailuntersuchungen als Kindergrab. Das etwa 50 x 40cm große, nord-südlich orientierte Grab war aus mehreren ungebrannten 8cm dicken Lehmziegeln gebaut. Die 40cm hohe Kiste wurde von einer große Psammitplatte (no. 1) abgedeckt.
Die Lücken zu den umliegenden Steinstrukturen waren mit kleineren Steinen verfüllt. Am schwarzbraunen Lehmboden des Kistengrabes fand sich das Skelett eines ca. 3 Monate alten Säuglings, der in Rückenlage mit angezogenen Beinen bestattet worden war. Es fanden sich keine Grabbeigaben, doch der darübergelegene gestampfte Lehmfußboden gibt einen terminus ante quem in Späthelladisch I (SH I; Kolonna X).
1.3. Materialstudien
Die Arbeiten und Analysen des makrobotanischen Materials aus K10 wurden unter der Leitung von A. Karathanou (Universität Thessaloniki) erfolgreich fortgesetzt. Die Erdproben aus den diesjährigen Grabungen wurden flotiert und die Flotate Großteils sortiert. Die Analyse der verkohlten oder versteinerten botanischen Reste (Kulturpflanzen wie auch Wildpflanzen mit Ausnahme von Holz) aus den Erdproben wird von A. Karathanou im Labor an der Universität Thessaloniki durchgeführt.
Die zoologischen Untersuchungen der Tierknochen und Mollusken vor Ort (Bestimmung, Datenverarbeitung, Foto-Dokumentation) aus den Grabungen 2015-19 in den Arealen K10 und K07 konnten von G. Forstenpointner (Veterinärmedizinische Universität Wien) abgeschlossen werden.
2. Grabungen im Nordost-Sektor: die Areale NO1 und NO2
Das Grabungsareal NO1 befindet sich im nordöstlichen Bereich innerhalb der spätrömisch/byzantinischen Befestigungsmauer (M1031) und erstreckt sich bis zum sogenannten Mykenischen Turm (M1184/M1185/M1186) (vgl. Abb. oben Areal A2). Das Grabungsareal NO2 liegt westlich (außerhalb) der spätrömisch/byzantinischen Befestigungsmauer (M1031), wo sich einige Mauerreste erhalten haben, darunter ein Abschnitt der mykenischen Befestigungsmauer M1319, die näher untersucht wurde.
2.1. Grabungsareal NO1
Südlich des Grabungsareals NO1 befindet sich ein etwa 8 x 8m großes, hufeisenförmiges Fundament (M1211/M1212/M1213), das aus wiederverwendeten Blöcken des archaischen Tempels besteht. Dieses Fundament ist mit einer etwa 2m breiten Mauer (M1210) mit der spätrömisch/byzantinischen Festung verbunden. Mit den Grabungen im anschließenden Areal NO1 sollte die Stratigraphie zu diesen Mauern untersucht werden. Im Zentrum des Schnittes befand sich eine massive Deponierung einer älteren Ausgrabung, die aus zahlreichen Steinen sowie Fragmenten von Ziegeln und Keramik überwiegend byzantinischer Zeit bestand.
Erwähnenswert unter den Funden sind ein marmorner Torso einer nackten, 11cm großen Aphroditestatuette (Inv. NO1_21-30-18) und ein Fragment einer oktogonalen Säulentrommel mit einer flach eingeritzten Inschrift, die diese offenbar als „Heiligen Stein“ kennzeichnet (ΑΓΕΙΟ ΛΙΤΗΟΣ Α [.]; Buchstabenhöhe 5-7cm; Inv. NO1_21-11-1). Der ursprüngliche Kontext dieser Funde kann nicht mehr eruiert werden; es ist allerdings denkbar, dass die Aphroditestatuette aus dem Heiligtumsbereich stammt und die Säulentrommel aus einem kirchlichen Kontext. Auch der Schutt kann keiner dokumentierten Grabung zugewiesen werden.
2.2. Der sogenannte Mykenische Turm und die Befestigung
In Areal NO1 haben sich auch stratigraphische Einheiten erhalten, die nicht von der alten Grabung gestört wurden.
Im Westen des Schnittes konnte der Südteil der Verfüllung eines Befesti-gungsturmes (M1184-86) der mittel- bis spät-bronzezeitlichen Befestigung untersucht werden. Die Füllung besteht aus etwa 50 x 50cm großen, runden sowie auch aus kleineren, scharfkantig gebrochenen Steinen (Materialabschläge). Die runden Steine wurden systematisch in Reihen verlegt, die Zwischenräume mit kleineren Steinen und Lehm aufgefüllt. Zwischen den Steinen fanden sich nur wenige insignifikante Keramikfragmente. Unterhalb der Steinverfüllung zeigte sich eine sandige Lehmschicht, die nicht mehr gegraben wurde.
Entlang der Südseite des Schnittes NO1 kam ein über 9m langer Abschnitt der mittel- bis spätbronzezeitlichen Befestigungsmauer zum Vorschein (M1045 und M1046). Dieser Abschnitt liegt in einer Linie mit den bereits bekannten Befestigungsmauerteilen M1190 westlich davon und M1319 im Osten und wird von dem hufeisenförmigen Fundament M1211 und Mauer M1210 überbaut. Er ist Teil der nördlichen Befestigung der in der Schachtgräberzeit angelegten Äußeren Vorstadt von Kolonna.
Der freigelegte Mauerabschnitt weist zwei unterschiedlich zu datierende Teile auf: Die östliche Mauer M1046 ist Teil der frühesten Befestigung in diesem Bereich. Sie besteht aus einem 0,50m hohen Fundament und einer mindestens 1,30m hohen Mauer aus roh zugehauenen, teils scharfkantigen Kalksteinblöcken mit kleinen Füllsteinen. Die westlich anschließende Mauer M1045 wurde aus überwiegend unbehauenen Steinen errichtet und setzt mit einer Stoßfuge an die ältere Mauer an.
Sie steht im Zusammenhang mit der Errichtung des Turmes, der zu einer späteren Phase gehört, in der die Befestigung nach außen (Norden) hin verstärkt wurde (nicht gegraben). Bei diesen Umbaumaßnahmen wurde offensichtlich an der Rückseite des neuen Turmes die Befestigungsmauer mit der Mauer M1045 neu errichtet. Diese diente als Sockel oder Fundament eines mehrlagigen Lehmziegelaufbaus, von dem sich noch Teile erhalten haben (M1187).
Unterhalb des Fundamentes der älteren Befestigungsmauer traten Kulturschichten zutage, die neben einer Vielzahl an zerdrückten Purpurschneckenschalen einige Keramikfragmente der Mittelbronzezeit (MH II/MH III) beinhalteten. Sie weisen auf eine Nutzung des Vorstadtareals vor der Errichtung der Befestigung hin.
2.3. Die spätrömisch/byzantinische Befestigung
Im östlichen Bereich des Grabungsareals NO1 hat sich der Fundamentgraben an der Innenseite der spätrömisch/byzantinischen Befestigungsmauer M1031 erhalten (s. Verfüllung NO1_21-31); damit konnte zum ersten Mal an der Innenseite dieser Befestigung ungestörtes Material kontextualisiert werden.
Der 0,4m weite und 0,3m tiefe Graben enthielt im lehmigen Füllmaterial Funde aus unterschiedlichen Zeitperioden. Der jüngste Fund stellt nach den derzeitigen Untersuchungen eine mit Spiralen dekorierte Lampe aus dem 3. Jh. n. Chr. dar, die den terminus post quem für die Errichtung der Mauer angibt. Die geringe Anzahl an diagnostischen Funden erlaubt freilich keine definitive Datierung der Mauer, die Lampe widerspricht aber nicht der in früheren Arbeiten geäußerten Annahme, dass die Befestigung um oder kurz nach 250 n. Chr. errichtet wurde.
Unterstützend für eine Frühdatierung könnte auch die Mauertechnik der Befestigung herangezogen werden, die – im Gegensatz zu den eindeutig byzantinischen Strukturen – kaum Ziegel beinhaltet. Tatsächlich bestehen auch die Pfeiler, die an der Innenseite der Befestigung angesetzt wurden, aus Stein-Mörtel-Ziegelmauerwerk, das sich deutlich von der Befestigung unterscheidet. Dies deutet darauf hin, dass die spätrömisch-byzantinischen Befestigungen mehrere Bauphasen besitzen.
3. Mauersurvey im Nordosten
Der Bereich östlich der spätrömisch/byzantinischen Befestigungsmauer M1031 (s. Abb. oben Areal A3) wurde sorgfältig gereinigt und neu zeichnerisch und photographisch dokumentiert. Neben der bronzezeitlichen Befestigung gehören die Mauern größtenteils einem Baukomplex aus mindestens drei Räumen an, wovon einer wohl als Kapelle gedient hat. Die schlecht erhaltenen Mauern bestehen aus Bruchsteinen, Ziegel und unterschiedlichen Mörtelarten. Eine genaue Datierung ist derzeit nicht möglich, doch gehören sie sicherlich der byzantinischen Siedlung auf Kolonna an.
Grabungsleitung: A. Sokolicek (Universität Salzburg)
Wissenschaftliche MitarbeiterInnen: L. Berger (Universität Salzburg, stv. Grabungsleiterin),
R. Smetana (Universität Salzburg, Fundaufnahme)
Studierende: B. Huber, I. Klotz, S. Mörzinger, R. Plietl, R. Schilling, T. Sobihard, G.
Staudacher, C. Stiborek, E. Tolksdorff (Universitäten Salzburg, Wien und Berlin); S.
den Boef, J. Huizer (beide Universität Leiden);
Temporäre MitarbeiterInnen: N. Stefanidou, I. Thomou, (beide Universität Thessaloniki);
G. Grabner (Universität Wien)
Kooperationen: A. Karathanou (Universität Thessaloniki, Archäobotanik);
G. Forstenpointner (VetMedUni Wien, Archäozoologie)
Finanzierung: Universität Salzburg, INSTAP Philadelphia (U.S.A.)
Lydia Berger – Alexander Sokolicek